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Europäische Kommission

Strategische Vorausschau 2022

Der geopolitische Kontext verändert sich rasant und so erhält auch die strategische Vorausschau 2022 besondere Dringlichkeit: „Grüner und digitaler Wandel im neuen geopolitischen Kontext“ gibt eine zukunftsorientierte und umfassende Sicht auf das Zusammenspiel zwischen dem grünen und digitalen Wandel bis 2050.

Beide stehen ganz oben auf der Tagesordnung der EU und werden unserer Zukunft eine neue Wendung geben. Von der Art her sind sie vollkommen unterschiedlich und folgen einer eigenen Dynamik. Doch ihr Zusammenspiel birgt Potenzial, das genauer untersucht werden muss, damit wir auf dieser Grundlage Synergien maximieren und Spannungen minimieren können. Dies ist im derzeitigen geopolitischen Kontext, in dem die EU bestrebt ist, sowohl den grünen als auch den digitalen Wandel voranzutreiben, von zentraler Bedeutung, um unsere Resilienz und offene strategische Autonomie zu stärken. Die strategische Vorausschau 2022 liefert eine zukunftsorientierte Analyse der wichtigen Rolle digitaler Technologien sowie des Einflusses geopolitischer, wirtschaftlicher, sozialer und regulatorischer Faktoren im Zusammenhang mit dem zweifachen Wandel. Basierend auf dieser Analyse ermittelt der Bericht zehn Schlüsselbereiche, in denen Maßnahmen erforderlich sind.

Die Mitteilung baut auf dem „Science for Policy Report“ der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Centre, JRC) auf: Towards a green and digital future. Key requirements for successful twin transitions in the European Union.

Wichtigste Synergien und Spannungen

Aus der Kombination des grünen und des digitalen Wandels kann großer gemeinsamer Nutzen entstehen:

  • Digitale Technologien könnten eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung der Klimaneutralität, der Verringerung der Umweltverschmutzung und der Erholung der Biodiversität spielen. So werden beispielsweise die persönliche Überwachung der Schadstoffbelastung oder der Beitrag und Zugang zu Umweltdaten über Netze von Mikrosensoren und intelligenten Geräten den Menschen fundiertere Entscheidungen ermöglichen.
  • Der grüne Wandel wird den digitalen Sektor verändern. So wird beispielsweise die Verwirklichung der Klimaneutralität und Energieeffizienz von Rechenzentren und Cloud-Infrastrukturen bis 2030 (unter anderem durch die Deckung ihres Strombedarfs mit Solar- oder Windenergie) die Umstellung auf umweltfreundlichere Technologien in Bereichen wie Big-Data-Analyse, Blockchain oder Internet der Dinge unterstützen.

Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen sich ein Wandel negativ auf den anderen auswirken könnte:

  • Der Energieverbrauch könnte steigen, wenn digitale Technologien nicht energieeffizienter werden. Auf IKT entfallen 5-9 % des weltweiten Stromverbrauchs. Dieser Anteil könnte mit der zunehmenden Nutzung des Internet der Dinge sowie von Blockchain, Plattformen, Suchmaschinen und Konzepten für virtuelle Realität zunehmen.
  • Der verstärkte Einsatz digitaler Technologien könnte zu mehr Elektronikabfällen führen und deren Umweltauswirkungen erhöhen. Bis 2030 könnte die Menge dieser Abfälle 75 Millionen Tonnen erreichen.
  • Mit fortschreitender Digitalisierung würde auch der Wasserverbrauch steigen, z. B. für die Kühlung von Rechenzentren oder die Mikrochip-Produktion.

Zentrale Technologien für den zweifachen Wandel

Bei entsprechender Regie können digitale Technologien beim Aufbau einer klimaneutralen, ressourceneffizienten Wirtschaft und Gesellschaft helfen und Ressourcen in wichtigen Sektoren sparen, die ebenfalls für die meisten Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind:

foresight2022 energy
Digitalisierung im Energiebereich: Mit digitalen Technologien lassen sich die für den Abgleich von Angebot und Nachfrage nötigen Daten auf einer stärker disaggregierten Ebene und echtzeitnah liefern. Die Vorhersage von Energieerzeugung und -nachfrage kann durch digitale Technologien, neuartige Sensoren, Satellitendaten und Blockchain verbessert werden.
Transport foresight 2022
Umweltfreundlicherer Verkehr: Durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden effizientere multimodale Mobilitätslösungen wie „Mobilität als Dienstleistung“ oder „Verkehr als Dienstleistung“ möglich. Neue Generationen von Batterien und digitale Technologien wie das Internet der Dinge werden eine Mobilitätswende der verschiedenen Verkehrsträger – Personenverkehr, Frachtverkehr und Luftverkehr – hin zu mehr Nachhaltigkeit einläuten.
insdusty foresight 2022
Klimaneutralität der Industrie: Mit intelligenten Zählern und Sensoren ließe sich die Energie- und Materialeffizienz in der Produktion steigern. Digitale Zwillinge (virtuelle Darstellung eines Objekts) könnten zur Verbesserung der Systemgestaltung, zum Test neuer Produkte, zur Überwachung und Gewährleistung vorbeugender Wartungsmaßnahmen, zur Bewertung des Lebenszyklus von Produkten sowie zur Auswahl optimaler Materialien eingesetzt werden.
construction foreseight 2022
Umweltfreundlichere Gebäude dank Digitalisierung: Daten und Technologien wie Informationsmodellierung könnten die langfristigen Entscheidungen in der Entwurfsphase verbessern und die Energieeffizienz des Sektors steigern. Die Verfügbarkeit anonymisierter Daten, intelligente Geräte und ein geändertes Verbraucherverhalten werden gezielte Investitionen in Sanierungen ermöglichen.
agriculuture foresight 2022
Intelligentere und grünere Landwirtschaft: Digitale Sensoren in Kombination mit dienstleistungsbasierten Weltraumdaten könnten helfen, Wasser und Energie zu sparen und gleichzeitig den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu reduzieren. Über digitale Plattformen könnte der Lokalvertrieb von Lebensmitteln erleichtert und Lebensmittelverschwendung vermieden werden. Produktions- und Verbrauchskreisläufe würden verkürzt.

Die Rolle geopolitischer, wirtschaftlicher, sozialer und regulatorischer Faktoren

Der Erfolg des zweifachen Wandels wird auch von den geopolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und regulatorischen Bedingungen abhängen, unter denen er sich vollzieht. Die derzeitige geopolitische Verschiebung aufgrund der Aggression Russlands gegen die Ukraine legt schonungslos offen, wie dringend wir den Wandel beschleunigen und die Resilienz und Offenheit der EU stärken müssen. Wir müssen den Zugang zu kritischen Rohstoffen sichern, die für den zweifachen Wandel nötig sind und bei deren Beschaffung die EU nach wie vor in hohem Maße von Drittländern abhängt.

Der grüne und der digitale Wandel erfordern auch eine Anpassung der Wirtschaftspolitik der EU hin zu mehr Nachhaltigkeit und einer stärkeren Kreislaufwirtschaft. Investitionen des privaten und des öffentlichen Sektors in nachhaltige Projekte werden von entscheidender Bedeutung sein. Schätzungen zufolge werden für den zweifachen Wandel bis 2030 mindestens rund 650 Mrd. EUR jährlich benötigt.

Darüber hinaus werden Gerechtigkeit und Erschwinglichkeit eine wichtige Rolle spielen, damit die Bevölkerung sowie alle Sektoren und Regionen in Europa und darüber hinaus davon profitieren. Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind anfälliger für die Auswirkungen des zweifachen Wandels in Bezug auf Arbeitsplätze, Zugang zu digitalen öffentlichen Dienstleistungen sowie höhere Energie- und Verbraucherpreise. Auch die Arbeitsmärkte werden sich grundlegend ändern und neue Qualifikationen erfordern. Die EU wird darauf achten müssen, dass der soziale und wirtschaftliche Zusammenhalt während des Wandels gestärkt wird.  

Zur Verwirklichung des zweifachen Wandels muss die EU ihre Stärke als globale Normungsmacht unter Beweis stellen. Sowohl zum Schutz der Verbraucher in der EU vor nicht nachhaltigen Produkten oder Verfahren als auch zur Gewährleistung, dass internationale Standards die Anforderungen der EU im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ethik nicht untergraben.

Schlüsselbereiche für einen erfolgreichen zweifachen Wandel

In der strategischen Vorausschau wurden zehn Bereiche ermittelt, in denen wir tätig werden müssen, wenn wir die mit dem zweifachen Wandel bis 2050 verbundenen Chancen nutzen und die entsprechenden Risiken minimieren wollen.

2021 foresight header
  1. Stärkung der Resilienz und der offenen strategischen Autonomie in Sektoren, die für den zweifachen Wandel von entscheidender Bedeutung sind (Arbeit der EU-Beobachtungsstelle)
  2. Stärkung der grünen und digitalen Diplomatie durch das Gewicht, das die EU im Bereich der Regulierung und Standardisierung hat, parallel zur Förderung der Werte der EU und zum Ausbau von Partnerschaften
  3. Strategisches Management der Beschaffung kritischer Rohstoffe und Waren durch einen langfristigen systemischen Ansatz, um eine neue Abhängigkeitsfalle zu vermeiden
  4. Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, z. B. durch Stärkung des sozialen Schutzes und des Wohlfahrtsstaats
  5. Anpassung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung an eine sich rasch verändernde technologische und sozioökonomische Realität sowie Förderung der sektorübergreifenden Arbeitskräftemobilität
  6. Mobilisierung zusätzlicher zukunftsfähiger Investitionen in neue Technologien und Infrastrukturen
  7. Entwicklung von Überwachungsrahmen zur Messung von Wohlergehen jenseits des BIP
  8. Gewährleistung eines zukunftsfähigen Rechtsrahmens für den Binnenmarkt, der nachhaltige Geschäftsmodelle und Verbrauchermuster fördert
  9. Stärkung eines globalen Ansatzes für die Festlegung von Normen und Nutzung des Pioniervorteils der EU im Bereich der wettbewerbsorientierten Nachhaltigkeit
  10. Förderung eines soliden Rahmens für Cybersicherheit und sicheren Datenaustausch, unter anderem um sicherzustellen, dass kritische Einrichtungen Störungen verhindern, abwehren und sich von ihnen erholen können

Documents

  • 21. JUNI 2022
Strategic Foresight Report - 2022

  • 28. JUNI 2022
Strategic Foresight Report - 2022 - reader friendly version