Klimawandel, die wachsende Anzahl an Technologien und geopolitische Veränderungen haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Europa. Diese Veränderungen finden auf allen Ebenen statt – von der Kommunalpolitik bis hin zu globalen Machtstrukturen. Zur Vorbereitung auf diese Veränderungen und auf dem Weg zu einem grünen, digitalen und gerechteren Europa setzt die Kommission vermehrt auf Vorsorge und faktengestützte vorausschauende Politikgestaltung. Aus diesem Grund bindet die Kommission die strategische Vorausschau verstärkt in ihre Arbeit ein.
Strategische Vorausschau – worum geht es?
Die Vorausschau – eine Disziplin der gedanklichen Auseinandersetzung mit der Zukunft und ihrer Antizipierung –, um diese optimal zu gestalten. Dabei wird auf kollektive Intelligenz in strukturierter und systemischer Weise zurückgegriffen. Mit der sogenannten strategischen Vorausschau sollen künftige Erkenntnisse in die Politikgestaltung, strategische Planung und Krisenvorsorge der EU einbezogen werden. Sie hilft der EU, sich auf künftige Herausforderungen und Chancen vorzubereiten, diese zu antizipieren und die Zukunft so zu gestalten, wie wir sie uns wünschen.
Zweck der strategischen Vorausschau ist es nicht, die Zukunft vorherzusagen, sondern sich mit verschiedenen Zukunftsszenarien auseinanderzusetzen – ebenso wie mit den damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen. Letztlich hilft sie Entscheidungsträgern, durch Handeln in der Gegenwart die Zukunft zu gestalten.
Wichtige Akteure
Exekutiv-Vizepräsident Maroš Šefčovič wird 2019 das erste Kommissionsmitglied, das für die strategische Vorausschau zuständig ist. Bei der Umsetzung des Mandats sind das Generalsekretariat und die Gemeinsame Forschungsstelle federführend (die Forschungsstelle stützt sich auf ihre internen Kapazitäten für Vorausschau). Das Netz für strategische Vorausschau der Kommission sorgt für die langfristige politische Koordinierung zwischen allen Generaldirektionen. Die Kommission arbeitet im Bereich der Vorausschau eng mit anderen EU-Institutionen zusammen und baut Allianzen auf, insbesondere im Rahmen des Europäischen Systems für strategische und politische Analysen (ESPAS). Außerdem stellt sie Kontakt mit internationalen Partnern her und entwickelt im Rahmen des EU-weiten Netzes Partnerschaften, die sich auf die öffentlichen Kapazitäten der Mitgliedstaaten stützen.
Jährliche strategische Vorausschau
Mit ihrer jährlichen strategischen Vorausschau erstellt die Kommission die Grundlage für ihre Arbeitsprogramme und mehrjährige Programmplanung. Die Vorausschau ist eine partizipative und sektorübergreifende Übung, die von den Kommissionsdienststellen geleitet wird und auf Konsultationen der Mitgliedstaaten und externer Interessenträger sowie auf Gesprächen mit ESPAS-Partnern basiert.
In der strategischen Vorausschau 2023 mit dem Titel „Nachhaltigkeit und Wohlergehen – Herzstück der offenen strategischen Autonomie Europas“ werden die zentralen und miteinander verflochtenen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen aufgezeigt, denen sich die EU auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit stellen muss. Darauf aufbauend werden zehn Bereiche hervorgehoben, in denen die EU Maßnahmen ergreifen muss, um den Übergang erfolgreich zu bewältigen. Dies dürfte letztlich Europas offene strategische Autonomie und globale Führungsrolle auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft stärken.
Die strategische Vorausschau 2022 „Grüner und digitaler Wandel im neuen geopolitischen Kontext“ konzentriert sich auf das Zusammenspiel zwischen dem grünen und digitalen Wandel in Europa und berücksichtigt dabei auch das fragmentierte und sich verändernde geopolitische Umfeld, in dem sich dieser Wandel vollzieht. Der Bericht hebt die wichtige Rolle digitaler Technologien in Europas fünf strategischen und besonders treibhausgasintensiven Sektoren hervor: Energie, Verkehr, Industrie, Bauwesen und Landwirtschaft. Er stellt auch zehn Schlüsselbereiche zur Maximierung von Synergien und zur Reduzierung von Spannungen zwischen beiden Übergangsprozessen bis 2050 vor.
Die strategische Vorausschau 2021 „Die Handlungsfähigkeit und Handlungsfreiheit der EU“ blickt zukunftsgerichtet und multidisziplinär auf wegweisende Trends, die uns bis 2050 fordern werden: Klimawandel und andere Herausforderungen, technologischer Wandel, Druck auf Demokratie und Werte sowie weltpolitische Verschiebungen und demografischer Wandel. Außerdem werden zehn Bereiche aufgeführt, in denen die EU ihre Handlungsfähigkeit und Handlungsfreiheit ausbauen kann.
In der strategischen Vorausschau 2020 „Weichenstellung für ein resilienteres Europa“ erörterte die Kommission erste strukturelle Lehren aus der Corona-Krise und zeigte auf, wie die Vorausschau dazu beitragen kann, die langfristige Widerstandsfähigkeit Europas in einer Zeit grundlegenden und raschen Wandels zu stärken. Dazu analysierte sie vier Bereiche, in denen die EU krisenfester werden soll: Wirtschaft und Soziales, Geopolitik, Umwelt und digitale Entwicklung. Es wurden Resilienz-Dashboards eingeführt, die als Überwachungsinstrumente für politische Entscheidungsträger fungieren sollen.
EU-Netz für strategische Vorausschau
In ihrer strategischen Vorausschau 2020 hat die Kommission die Einrichtung eines EU-weiten Netzes angekündigt. Konkret sollen Synergien entwickelt werden, die sich auf die Vorausschau-Kapazitäten der Behörden stützen. So können Intelligenz und Expertise der EU-Länder und der Kommission zusammengetragen werden, um bei zukunftsorientierten Fragen zusammenzuarbeiten und sich austauschen zu können.
Die Arbeit des EU-Netzes für strategische Vorausschau erfolgt auf zwei Ebenen: Die „Minister*innen für die Zukunft“, die von den EU-Ländern benannt werden, treffen sich mindestens einmal jährlich. Sie befassen sich mit zentralen Fragen, die für die Zukunft Europas von Bedeutung sind.
Die Arbeit der Zukunftsminister*innen wird von einem Netz hochrangiger Beamter der nationalen Verwaltungen flankiert, die mindestens zweimal jährlich zusammentreten, um die Ministertreffen vorzubereiten sowie um ihre Schlussfolgerungen und Zusammenarbeit in thematischen Arbeitsgruppen weiterzuverfolgen.
Unterstützung der EU-Politikgestaltung
Durch strategische Vorausschau lässt sich die Politikgestaltung verbessern: Es werden zukunftsfeste Strategien entwickelt und kurzfristige Initiativen in eine langfristigere Perspektive eingebettet. Hierzu werden unterschiedliche Techniken angewandt:
Horizon Scanning (strategische Früherkennung): systematische Erfassung von Ereignissen und Trends, um Zukunftsmöglichkeiten auszuloten oder um als Frühwarnsystem zu dienen
Bewertung von Megatrends: Bewertung und Erörterung von neuen Mustern und Trends zur Erstellung eines Zukunftsmodells und eines Aktionsplans
Szenarienplanung: interaktiver und fortlaufender Prozess mit Interviews, Analyse und Modellierung, wobei die Ergebnisse Aufschluss über eine Reihe plausibler Zukunftsmöglichkeiten und darüber geben, wie sie entstanden sind – ob wir sie uns wünschen oder nicht
Zukunftsplanung: Abstecken der erwünschten Richtung, konkrete Beschreibung und Auslegung der Zukunftsvision sowie Festlegung eines mittelfristigen Fahrplans mit spezifischen Maßnahmen zu deren Verwirklichung
Die strategische Vorausschau ist für die Verwirklichung der Kommissionsprioritäten richtungsweisend, indem:
- Simulationen zu Zukunftsfragen durchgeführt werden, um herauszufinden, wie die politischen Prioritäten der Kommission erreicht werden können, um wichtige Trends, Risiken und neue Fragestellungen zu analysieren, und um festzulegen, welche Themen für die EU entscheidend sind. Dazu gehören die Veröffentlichung jährlicher strategischer Vorausschauen oder die Verwendung der Referenzszenarien für die Vorausschau.
- die Agenda für bessere Rechtsetzung der Kommission unterstützt wird. Die strategische Vorausschau wird in wesentliche politische Initiativen einfließen und sicherstellen, dass sich die EU-Politik auf ein klares Verständnis zukünftiger Trends und neuer Fragestellungen, möglicher Zukunftsmodelle sowie damit verbundener Chancen und Herausforderungen stützt. So hat die Kommission beispielsweise Szenarien für die Vorausschau entwickelt, die mögliche Zukunftsmodelle für 2040 präsentieren und direkt in die Mitteilung der Kommission über eine langfristige Vision für den ländlichen Raum einfließen;
- die Politik bei ihren künftigen Strategien und langfristigen Maßnahmen unterstützt wird, insbesondere durch gezielte Arbeiten zu verschiedenen Themen wie der Zukunft der Landwirte bis 2040, dem künftigen Zollwesen in der EU oder der Zukunft grüner Beschäftigung.
- Überprüfungen im Rahmen des REFIT-Programms durchgeführt werden, das die Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung gewährleistet, Wege für den Bürokratieabbau in Europa aufzeigt und bewertet, ob die bestehenden EU-Rechtsvorschriften weiterhin zukunftsfähig sind.
Nächste Schritte
- Stärkung der Zusammenarbeit innerhalb des EU-weiten Netzes zum Aufbau von Vorausschaukapazitäten in den Verwaltungen der Mitgliedstaaten
- Umsetzung der Strategischen Vorausschau der Kommission und Überlegungen zu den künftigen Initiativen.
- Zusammenarbeit mit anderen EU-Organen im Rahmen des Europäischen Systems für strategische und politische Analysen (ESPAS).
Kontakt
Ihre Fragen können Sie an SG-FORESIGHTec [dot] europa [dot] eu (SG-FORESIGHT[at]ec[dot]europa[dot]eu) oder JRC-FORESIGHTec [dot] europa [dot] eu (JRC-FORESIGHT[at]ec[dot]europa[dot]eu) richten.