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Gesellschaftsrecht und Corporate Governance

Vorschriften und Maßnahmen der EU in diesem Bereich, informelle Gruppe der Gesellschaftsrechtsexperten, Aktionsplan zu Gesellschaftsrecht und Corporate Governance

EU-Vorschriften in diesem Bereich

Ziele der EU-Vorschriften in diesem Bereich:

  • die Gründung und Neuordnung von Unternehmen in der gesamten EU ermöglichen

  • Anteilseigner und andere Akteure mit besonderem Interesse an Unternehmen, wie z. B. Arbeitnehmer und Gläubiger, schützen

  • Unternehmen langfristig effizienter, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger aufstellen

  • die Zusammenarbeit von Unternehmen mit Sitz in verschiedenen EU-Ländern fördern

Ergänzt wird dieser Rechtsrahmen durch EU-Vorschriften über Berichtspflichten, Abschlussprüfung und Transparenz.

Unternehmen: Berichtspflichten und Abschlussprüfung

Gründungs-, Kapital- und Offenlegungsanforderungen sowie Unternehmensvorgänge

Das EU-Gesellschaftsrecht regelt Gründungs-, Kapital- und Offenlegungsanforderungen sowie Unternehmensvorgänge wie Verschmelzungen und Spaltungen.

Richtlinie 2017/1132 – Digitales Gesellschaftsrecht 

Ein Großteil des EU-Gesellschaftsrechts ist nun in einer einzigen Richtlinie kodifiziert – der Richtlinie 2017/1132 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts.

Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht wurde von der Kommission am 29. März 2023 angenommen. Er zielt darauf ab, die Transparenz und das Vertrauen in die Rahmenbedingungen für Unternehmen im Binnenmarkt zu erhöhen, indem mehr Informationen über Gesellschaften öffentlich zugänglich gemacht werden und sichergestellt wird, dass die Gesellschaftsdaten in Unternehmensregistern zuverlässig und aktuell sind. Außerdem soll mit dem Vorschlag der Verwaltungsaufwand für Unternehmen bei der Verwendung von Gesellschaftsdaten aus Unternehmensregistern in grenzüberschreitenden Situationen verringert werden. Im März 2024 einigten sich der Rat und das Europäische Parlament vorläufig auf den Vorschlag. Die Richtlinie muss nun von beiden gesetzgebenden Organen förmlich angenommen werden. Sie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Alle Dokumente zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht

Die Richtlinie 2019/1151 vom 20. Juni 2019 regelt den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht. Die Umsetzungsfrist für die meisten Bestimmungen lief im August 2022 ab. Die Mitgliedstaaten hatten jedoch noch bis August 2023 Zeit, um bestimmte Artikel umzusetzen. Die Richtlinie (EU) 2019/2121 vom 27. November 2019 enthält neue Vorschriften für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen und geänderte Vorschriften für grenzüberschreitende Verschmelzungen. Die Umsetzungsfrist endete im Januar 2023. Die neuen Regelungen ermöglichen Unternehmen den Einsatz digitaler Werkzeuge in gesellschaftsrechtlichen Verfahren sowie die Restrukturierung und Verlegung von Gesellschaften ins EU-Ausland. Sie schützen Stakeholder und bieten gleichzeitig einen starken Schutz vor Betrug. 

Mit dem Vorschlag von 2023 und den Richtlinien von 2019 wird die Richtlinie 2017/1132 überarbeitet und ergänzt.


Richtlinie 2012/17 – System der Vernetzung von Unternehmensregistern („BRIS“)

Die Richtlinie 2012/17/EU und die Durchführungsverordnung (EU) 2021/1042 der Kommission regeln das System der Vernetzung von Unternehmensregistern (BRIS). BRIS ist seit dem 8. Juni 2017 in Betrieb. Es ermöglicht über das Europäische Justizportal den EU-weiten elektronischen Zugang zu Unternehmensinformationen und -dokumenten, die in den Unternehmensregistern der Mitgliedstaaten gespeichert sind. Über das BRIS können die Unternehmensregister überdies untereinander Informationen über grenzüberschreitende Unternehmensvorgänge sowie über Unternehmen und ihre grenzüberschreitenden Zweigniederlassungen austauschen. Der Bericht gemäß der Richtlinie 2012/17/EU über die Entwicklung des BRIS, insbesondere in Bezug auf den technischen Betrieb sowie finanzielle Aspekte, wurde am 29. März 2023 veröffentlicht.

 

Richtlinie 2009/102 – Einpersonengesellschaften

Die Richtlinie 2009/102/EG bietet einen Rechtsrahmen für die Gründung von Einpersonengesellschaften.


Verordnungen 2157/2001 und 2137/85 – EU-Vorschriften zu juristischen Personen

Die folgenden zwei Verordnungen begründen eine eigenständige juristische Person nach europäischem Recht: Die Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 begründet das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea oder SE), einer Aktiengesellschaft nach EU-Recht. Diese Rechtsform ermöglicht es Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ihre Geschäfte in der EU unter einem einzigen europäischen Handelsnamen zu führen. Mit Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 ist die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) eingeführt worden‚ eine EU-Rechtsform für eine Vereinigung, die aus Unternehmen oder juristischen Personen und/oder natürlichen Personen aus verschiedenen Mitgliedstaaten besteht, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Zweck einer solchen Vereinigung ist es, die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern oder zu erweitern. 

Fragen der Corporate Governance

 Das EU-Gesellschaftsrecht befasst sich auch mit Fragen der Corporate Governance‚ wobei der Schwerpunkt auf den Beziehungen zwischen Organen der Geschäftsführung und der Aufsicht, Anteilseignern und anderen Interessenträgern liegt und somit auf der Art und Weise, wie ein Unternehmen geführt und kontrolliert wird.

  • In der Richtlinie 2007/36/EG über Aktionärsrechte sind bestimmte Rechte für Aktionäre börsennotierter Gesellschaften festgelegt.

    Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie (EU) 2017/828 geändert, mit der ein langfristigeres Engagement der Aktionäre gefördert werden soll.

    Darüber hinaus werden in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212 der Kommission von 2018 Mindestanforderungen in Bezug auf die Identifizierung der Aktionäre, die Übermittlung von Informationen und die Erleichterung der Ausübung der Aktionärsrechte festgelegt.

  • Die Richtlinie 2004/25/EG über Übernahmeangebote legt Mindeststandards für Übernahmeangebote (oder Änderungen der Kontrollmehrheit) fest, die Wertpapiere von EU-Unternehmen betreffen.

  • Im Rahmen der im Aktionsplan 2020 für die Kapitalmarktunion festgelegten Maßnahme 12 zur Erleichterung der Mitwirkung von Aktionären hat sich die Kommission dazu verpflichtet, etwaige nationale Hindernisse für die Nutzung neuer digitaler Technologien in der Interaktion zwischen Anlegern, Intermediären und Emittenten zu prüfen. Am 21.12.2022 wurde eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD(2022) 447 final) bezüglich der Prüfung dieses Punkts von Maßnahme 12 samt Schlussfolgerungen veröffentlicht.

    16. JANUAR 2023
    Commission staff working document on Action 12 of 2020 Capital Markets Union Action Plan

Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen

Im Einklang mit dem übergeordneten Ziel der Kommission, einen gerechten Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und eine nachhaltige Erholung nach der COVID-Krise zu erreichen, wird in der Mitteilung zum europäischen Grünen Deal und im Aufbauplan der Kommission die Bedeutung der Einbeziehung von Nachhaltigkeit in die Unternehmensführung bekräftigt. Der von der Kommission am 23. Februar 2022 angenommene Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (COM(2022) 71) soll Unternehmen dabei helfen, tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in ihrer eigenen Geschäftstätigkeit und ihren Wertschöpfungsketten zu ermitteln und abzumildern. Der Vorschlag (alle EU-Sprachen) durchläuft derzeit das ordentliche Gesetzgebungsverfahren.

Corporate Governance und Vergütung von Banken und Wertpapierfirmen

Für Banken und Wertpapierfirmen gelten besondere Vorschriften in Bezug auf Corporate Governance und Vergütung. Ziel dieser Vorschriften ist es‚ übermäßige Risikobereitschaft zu dämpfen und auf diese Weise Finanzstabilität zu sichern.

  • Vorschriften über Corporate Governance und Vergütung für Banken und systemrelevante Wertpapierfirmen finden sich in der Eigenkapitalrichtlinie (Richtlinie 2013/36/EU‚ geändert durch die Richtlinie (EU) 2019/878) und der Eigenkapitalverordnung (Verordnung (EU) Nr. 575/2013‚ geändert durch die Verordnung (EU) 2019/876).
  • Am 27. Oktober 2021 verabschiedete die Europäische Kommission eine überarbeitete Fassung der EU-Bankenvorschriften (Eigenmittelverordnung (CRR) und Eigenkapitalrichtlinie (CRD)). In der überarbeiteten Fassung werden unter anderem gemeinsame Standards und Verfahren vorgeschlagen, um EU-weit mehr Kohärenz bei der Beurteilung der Eignung von Verwaltungsratsmitgliedern und einflussreichen Führungskräften (sogenannte „Inhaber von Schlüsselfunktionen“) zu erreichen.

    Mehr Informationen zum im Oktober 2021 angenommenen Bankenpaket: Bankenpaket 

  • Vorschriften über Corporate Governance und Vergütung für nicht systemrelevante Wertpapierfirmen finden sich in der Richtlinie über Wertpapierfirmen (Richtlinie (EU) 2019/2034) und der Verordnung über Wertpapierfirmen (Verordnung (EU) 2019/2033).

Systemrelevante Wertpapierfirmen unterliegen somit weiterhin den Bankenvorschriften, während für nicht systemrelevante Wertpapierfirmen eine gesonderte Regelung gilt. Weitere Informationen: Aufsichtsregeln für Wertpapierfirmen 

Expertengruppen und Plattformen der Interessenträger

Informelle Expertengruppe für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance (ICLEG)

Diese Gruppe, die sich aus Professoren und Fachleuten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zusammensetzt, berät die Kommission bei der Vorbereitung von Initiativen im Bereich des Gesellschaftsrechts. Die Gruppe wurde erstmals 2014 eingerichtet und dann erneut 2019 nach einer neuen Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen angesichts neuer Herausforderungen in den Bereichen Gesellschaftsrecht und Corporate Governance. Erfahren Sie mehr über die ICLEG-Gruppe und ihre Arbeit

Die für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance zuständigen Teams in der Generaldirektion Justiz und Verbraucher sind bestürzt über den plötzlichen Tod von Prof. Dr. Gerald Spindler am 11. September 2023. Unser aufrichtiges Beileid gilt seiner Familie sowie der akademischen Gemeinschaft, der er angehörte. Prof. Dr. Spindlers Beiträge zur akademischen Arbeit der ICLEG wurden sehr geschätzt. Er wird in der Gruppe fehlen.

Online-Plattform zur Corporate Governance

Die Plattform bietet einen digitalen Raum für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zu einer Reihe von Themen der Unternehmensführung, von der Betreuung der Anleger bis hin zur Nachhaltigkeit. Die Plattform fördert den Dialog zwischen Unternehmen, Investoren, privaten und öffentlichen Interessenträgern und unterstützt die Kommission bei der Bewertung, ob frühere Maßnahmen ihren Zweck in der Praxis erfüllen. Weitere Informationen können Sie per E-Mail anfordern bei just-cg-opatec [dot] europa [dot] eu (just-cg-op[at]ec[dot]europa[dot]eu).