Von den vulkanischen Kanaren im Atlantik über die malerischen griechischen Inseln im Mittelmeer bis hin zu den Ålandinseln in der Ostsee gibt es in der EU etwa 2200 bewohnte Inseln. Die europäischen Inseln sind in Bezug auf Größe, Bevölkerung, Geografie und Territorium sehr unterschiedlich. Auf ihnen wohnen 16 Millionen Europäerinnen und Europäer und damit etwa 4 % der Gesamtbevölkerung der EU. Da die Inseln auch zu den beliebtesten Urlaubszielen in Europa gehören, erfreuen sich jedoch noch viel mehr Menschen an der Schönheit ihrer Natur und ihrem kulturellen Reichtum.
Aufgrund ihrer geografischen und klimatischen Bedingungen stehen die Inseln vor besonderen Herausforderungen. Sie sind schlechter zugänglich als die Regionen auf dem Festland und können häufig nur per Boot oder Flugzeug erreicht werden. Sie sind regelmäßig Wetterphänomenen wie Wirbelstürmen und dadurch wiederum Überschwemmungen ausgesetzt. Der Anstieg des Meeresspiegels – eine der sichtbarsten Auswirkungen des Klimawandels – stellt für viele Inseln eine erhebliche Bedrohung dar. Diese Bedingungen führen zu höheren Lebenshaltungskosten, weniger Beschäftigungsmöglichkeiten und einer insgesamt niedrigeren Wirtschaftsleistung. Daher lässt sich die Situation der Inselbevölkerung kaum mit der Situation der Bevölkerung auf dem Festland vergleichen.
Energieversorgung – Herausforderung und Chance
Aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer isolierten Energiesysteme stehen die Inseln im Hinblick auf die Energieversorgung vor einer großen Herausforderung. Für Stromerzeugung, Verkehr und Heizung sind sie in der Regel auf die Einfuhr fossiler Brennstoffe angewiesen. Fossile Brennstoffe zählen jedoch nicht nur zu den Hauptverursachern von CO2-Emissionen, sondern sind auch teuer: so können die Kosten für die Stromerzeugung auf Inseln beispielsweise bis zu 10-mal höher sein als auf dem Festland! Dies ist eine offensichtliche finanzielle Belastung für die Inselbewohner.
Die Nutzung von vor Ort vorhandenen erneuerbaren Energieträgern wie Sonnenenergie, Windenergie, Meeresenergie und Erdwärme kann für die Inseln in der EU große sozioökonomische Vorteile mit sich bringen. Der Übergang zu einer nachhaltigeren Energieversorgung durch Nutzung innovativer Technologien trägt entscheidend zu einem nachhaltigen und widerstandsfähigen Wirtschaftswachstum sowie zur Entwicklung lokaler Kompetenzen und Arbeitsplätze in den Inselgemeinschaften bei.
Es versteht sich von selbst, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien den CO2-Fußabdruck jedes Wirtschaftssystems erheblich verringert, selbst wenn es noch so klein ist. Die Inseln stellen sich bereits der Herausforderung der Dekarbonisierung, wobei sie sich ihre besonderen Eigenschaften zunutze machen, um zu Reallaboren für neue Stromversorgungssysteme in Europa werden. Sie können für Europa und darüber hinaus zu Innovationsführern bei der Energiewende werden und als erste „Fit für 55“ werden, d. h. das Ziel einer Verringerung der Nettoemissionen um 55 % bis 2030 erreichen. Langfristig wird dies auch ein wichtiger Pfeiler der CO2-Neutralität der EU sein.
Energieinnovation auf Madeira – der Weg in die Zukunft
Madeira ist ein hervorragendes Beispiel für eine Insel, die bei der Energiewende Pionierarbeit leistet. Diese felsige Insel im Atlantik ist eine autonome Region Portugals. Sie hat fast 300 000 Einwohner und ist ein beliebtes Reiseziel. Jährlich besuchen etwa 1,4 Mio. Touristen Madeira.
Wie viele andere Inseln ist auch Madeira für einen Großteil seiner Energieversorgung nach wie vor auf fossile Brennstoffe angewiesen. Die mit dem Flugzeug anreisenden Besucher werden jedoch die raschen Fortschritte beim Übergang zu saubereren Energieträgern bemerken: beim Anflug auf den Flughafen fallen die Solarpaneele und Windkraftanlagen ins Auge, die einen ersten Eindruck von den laufenden innovativen Energieprojekten geben.
Um die Prioritäten für seine Energiewende festzulegen, hat Madeira im Jahr 2012 einen Aktionsplan für nachhaltige Energie ausgearbeitet, in dem es sich verpflichtet hat, seine Energieintensität zu verringern, die Energieversorgungssicherheit zu verbessern und die Energieabhängigkeit vom Festland zu reduzieren. Der Plan sollte in mehrerlei Hinsicht zu Erfolgen führen: eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger verringert die Abhängigkeit von Einfuhren fossiler Brennstoffe vom Festland und bringt gleichzeitig wirtschaftliche Vorteile mit sich, da erneuerbare Energieträger billiger sind als Kraftstoffe auf Erdölbasis. Dadurch verringert sich zudem der gesamte CO2-Fußabdruck der Insel.
Der Plan war nicht nur ein Lippenbekenntnis. Im vergangenen Jahr hat die Insel ihren Energiemix diversifiziert, d. h. Erdgas eingeführt, die Zahl der Windparks auf den windigen Hochebenen der Insel erhöht, den Umfang der Sonnenenergienutzung vergrößert und Wasserkraftanlagen installiert. Durch diese Entwicklung hat sich die Nachfrage nach Brennstoffen auf Erdölbasis erheblich verringert, wodurch auch die CO2-Emissionen der Insel sanken. Auch der Verkehr auf der Insel, auf den etwa die Hälfte des Energieverbrauchs Madeiras entfällt, hat sich erheblich verändert. Aufgrund eines Anreizprogrammes für Elektrofahrzeuge ist es nun an fast 50 Orten auf der Insel möglich, Elektrofahrzeuge aufzuladen, d. h. es ist immer eine Ladestation in der Nähe. Madeira arbeitet außerdem an Technologien für intelligente Netze, u. a. zur Energiespeicherung, um in Zukunft eine noch höhere Marktdurchdringung erneuerbarer Energieträger in seinem isolierten Stromnetz zu ermöglichen.
Viele dieser Entwicklungen werden von der örtlichen Elektrizitätsgesellschaft Empresa de Electricidade da Madeira (EEM) angeführt, deren Planungsabteilung eine der wichtigsten treibenden Kräfte bei der Energiewende ist. Durch die Kombination von umfangreichen technischen Fachkenntnissen mit solider politischer Unterstützung, EU-Mitteln und reichhaltigen endogenen Energieträgern könnte die Insel zu einem der weltweit führenden Reallabore für nachhaltige Energieinnovationen werden. Für 2022/2023 wird erwartet, dass Madeira 50 % seines Stroms aus erneuerbaren Energieträgern erzeugen kann, und dieser Anteil wird auf bis zu 70 % steigen, wenn künftig mehr Speicheranlagen in Betrieb genommen werden.
Die Inseln zum Handeln befähigen
Die Lösungen, Projekte und Ziele von Inseln wie Madeira müssen an andere Inseln weitergegeben werden, um diese zu inspirieren, ihre eigene Energiewende einzuleiten. An dieser Stelle setzt die Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“ an. Die im Jahr 2017 als Teil des Pakets „Saubere Energie für alle Europäer“ ins Leben gerufene Initiative bietet einen langfristigen Rahmen, der Inseln dabei helfen soll, selbst nachhaltige und kostengünstige Energie zu erzeugen. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission haben 2018 das Sekretariat der Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“ eingerichtet, um Bürgerinnen und Bürger, lokale Behörden, Unternehmen und akademische Einrichtungen dabei zu unterstützen, bei der Energiewende auf ihrer Insel zusammenzuarbeiten. Seither fungiert das Sekretariat als Plattform für den Austausch bewährter Verfahren für die Interessenträger der Inseln. Es bietet spezielle Kapazitätsaufbau- und Beratungsdienste für Inseln und fungiert in politischen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Energiewende auf den Inseln als Bindeglied zu den europäischen Institutionen.
Durch die Unterzeichnung der Verpflichtung „Saubere Energie für EU-Inseln“ können Inseln offiziell Teil der Initiative werden und ihre Erfahrungen mit Menschen und Entscheidungsträgern in ganz Europa teilen. Madeira unterzeichnete diese Verpflichtung im Jahr 2020 und bekräftigte seine Entschlossenheit, seine Bemühungen um die Energiewende auch künftig fortzusetzen.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Pilotphase (2018–2020) setzt das Sekretariat seine wichtige Arbeit zur Förderung der Klimaziele der EU fort. Es stützt sich bei seiner Arbeit auf eine zentrale Methode, die sich aus den Elementen „Erkunden“, „Gestalten“ und „Handeln“ zusammensetzt, und liefert für alle Inseln in der EU Lösungen, die genau auf die Phase der Energiewende zugeschnitten sind, in der sich die Inseln gerade befinden.
- Auf vielen Inseln wurde bisher noch nicht mit Überlegungen zur Energiewende oder der Einbeziehung der Interessenträger begonnen. Das Sekretariat kann ihnen dabei helfen, ihre Möglichkeiten zu erkunden und ihre Strategie für die Energiewende festzulegen.
- Andere sind bereits so weit, dass sie ausgehend von bestehenden Plänen für die Energiewende zur Projektentwicklung übergehen können. Das Sekretariat kann sie dabei unterstützen, diese Projekte zu gestalten.
- Andere sind wiederum bereit zu handeln, und das Sekretariat kann ihnen durch Treffen zur Vermittlung von Kontakten bei der Finanzierung ihrer Projekte behilflich sein.
Um weitere Informationen über das Sekretariat der Initiative „Saubere Energie für EU-Inseln“ und dessen künftige Tätigkeiten zu erhalten, können Sie sich für dessen Newsletter anmelden oder das Sekretariat per infoeuislands [dot] eu (E-Mail) kontaktieren.
Weiterführende Links
Einzelheiten
- Datum der Veröffentlichung
- 15. Juli 2021
- Autor
- Generaldirektion Energie
- Ort
- Brüssel