Im Blickpunkt: Wasserstoff – Motor der grünen Revolution - Europäische Kommission Zum Hauptinhalt
  • Presseartikel
  • 14. April 2021
  • Brüssel
  • Generaldirektion Energie
  • Lesedauer: 7 Min

Im Blickpunkt: Wasserstoff – Motor der grünen Revolution

Immer mehr Länder haben sich der Klimaneutralität verpflichtet. Wir brauchen daher weltweit Lösungen, um wirklich alle Wirtschaftszweige zu dekarbonisieren. Das Schlagwort Wasserstoff ist dabei in aller Munde, und das aus gutem Grund. Dank seiner Flexibilität und Vielseitigkeit kann Wasserstoff bei der Bewältigung der vor uns liegenden Herausforderungen eine zentrale Rolle spielen. So kann er einerseits als Energieträger oder Ausgangsstoff, andererseits aber auch zur Speicherung saisonal variabler erneuerbarer Energien verwendet werden. Wasserstoff hat großes Potenzial für die Dekarbonisierung energieintensiver Branchen, in denen dies sonst nur schwer zu erreichen ist, wie etwa der Stahlbranche. Zudem kann er als umweltfreundlicher Treibstoff für den Schwerlastverkehr genutzt werden, für den sich die verfügbaren Batterietechnologien in der Praxis nur schlecht eignen.

Angesichts unserer Anstrengungen um eine Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wird Wasserstoff für unsere künftige Energiesysteme – und für das Ziel des europäischen Grünen Deals, in der EU bis 2050 CO2-neutral zu werden – immer wichtiger. Mithilfe einer Kombination aus erneuerbaren Energien, einer intelligenten Speicherung, Energieeffizienzmaßnahmen und flexiblen Netzen ist es aktuellen Modellrechnungen zufolge möglich, rasch in großem Maßstab für eine saubere und nachhaltige Energieversorgung zu sorgen, und viele Fachleute gehen davon aus, dass Wasserstoff bei dieser Umstellung eine zentrale Rolle spielen wird. Zunächst stellt sich jedoch die Frage, welche Art von Wasserstoff sich für die Verwirklichung unserer Klimaziele am besten eignet.

Verschiedene Arten von Wasserstoff und ihr Potenzial

Wasserstoff ist das am häufigsten vorkommende Element überhaupt, macht jedoch nur einen Bruchteil des Energiemix in der EU und weltweit aus. Heute entfallen weniger als 2 % des Energieverbrauchs in Europa auf Wasserstoff. Haupteinsatzzwecke sind dabei die Herstellung von Chemikalien wie Plastik und Düngemitteln. Zudem wird fast dieser gesamte Wasserstoff – stolze 96 % – aus Erdgas erzeugt, wobei erhebliche Mengen an CO2-Emissionen entstehen. Die erste Herausforderung ist daher die Dekarbonisierung der Wasserstofferzeugung.

Kurz gesagt ist für die Wasserstofferzeugung eine Primärenergiequelle erforderlich. Von dieser Energiequelle und dem angewandten Verfahren hängt ab, wie umweltfreundlich – oder umweltschädlich – das Endprodukt ist. Aus Erdgas erzeugter fossiler Wasserstoff, der oft auch als „grauer“ Wasserstoff bezeichnet wird, kommt derzeit weitaus am häufigsten zum Einsatz. CO2-armer – oder „blauer“ – Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas hergestellt, aber die dabei entstehenden CO2-Emissionen werden abgeschieden und unterirdisch gespeichert. Diese Lösung ist daher sauberer und mit geringeren Emissionen verbunden.

Wenngleich CO2-armer Wasserstoff somit bei der Umstellung als Ersatz für grauen Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen kann, ist die sauberste Lösung erneuerbarer – „grüner“ – Wasserstoff. Bei seiner Erzeugung wird ein Elektrolyseur mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind- oder Sonnenenergie versorgt, und als einziges Nebenprodukt entsteht Wasser. Da die Erzeugung somit fast emissionsfrei ist, stößt diese Produktionsart in Politik, Wissenschaft und bei Investoren auf das größte Interesse.

Dekarbonisierung der Industrie

Nachdem die bevorzugte Wasserstoffart feststeht, prüft die EU nun Möglichkeiten für den Ausbau einer kosteneffizienten Erzeugung, Beförderung und Verwendung von erneuerbarem Wasserstoff, um diese flexible und vielseitige Energiequelle als Motor für die Energiewende zu nutzen.

Energieintensive Industriezweige, die nicht durch direkte Elektrifizierung dekarbonisiert werden können, brauchen grünere, CO2-neutralere Lösungen. Erneuerbarer Wasserstoff bietet vielversprechende und realistische Aussichten, bis 2030 zu einer umweltfreundlichen Stahl- und Düngemittelproduktion zu gelangen. Im Verkehrsbereich bemühen sich Luft-, Schiffs- und Schwerlastverkehr angesichts der Beschränkungen und Kosten heutiger Batterietechnologien um CO2-neutrale Antriebstechnologien für lange Strecken.

Da sich die EU für eine umfassendere weltweite Nutzung erneuerbarer Energiequellen einsetzt, geht erneuerbarer Wasserstoff immer auch Hand in Hand mit einem Stromerzeugungssektor, der zunehmend von erneuerbaren Energiequellen bestimmt wird. Wasserstoff kann dabei helfen, erneuerbare Energie langfristig und in großem Umfang zu speichern, und trägt unmittelbar zur Flexibilität des Energieversorgungssystems bei. Das Speicherpotenzial von Wasserstoff – in erster Linie in Salzlagerstätten, die derzeit für die Speicherung von Erdgas verwendet werden – ist besonders für die Stromnetze von Vorteil, da sie dazu beiträgt, Stromangebot und -nachfrage in Einklang zu bringen, wenn gerade zu viel oder zu wenig erneuerbarer Strom erzeugt wird.

EU-Wasserstoffstrategie und langfristige Investitionen

Der europäische Grüne Deal hat das zweifache Ziel, unsere Treibhausgasemissionen zu verringern und die Industrie in Europa auf eine klimaneutrale Wirtschaft vorzubereiten. In diesem Rahmen gilt Wasserstoff als entscheidender Faktor sowohl für die Bewältigung von Problemen als auch für die Weiterentwicklung unserer Energiesysteme.

Die Kommission hat daher im Juli letzten Jahres zwei verschiedene Initiativen eingeleitet – eine Strategie zur Integration des Energiesystems und eine eigene Wasserstoffstrategie. In der ersten Strategie werden Möglichkeiten für eine Flexibilisierung unseres Energiesystems beschrieben. Ziel ist es, Energie ungehindert zwischen Verbraucher und Erzeuger sowie zwischen verschiedenen Endnutzerbereichen austauschen zu können sowie neue Technologien zu fördern und reibungsloser in den Energiemarkt zu integrieren, um ein klimaneutrales Energieversorgungssystem aufzubauen, das auf erneuerbarem Strom, Kreislaufwirtschaft sowie erneuerbaren und CO2-armen Brennstoffen basiert. In der zweiten Strategie wird gezielt untersucht, was getan werden muss, um erneuerbaren und CO2-armen Wasserstoff zu einem zentralen Baustein des Energiesystems zu machen.

Die EU hat sich zum Ausbau der erneuerbaren Energien verpflichtet, und diese Selbstverpflichtung führt zu einem stetigen Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien an ihrem Energiemix. Zudem dürften sich die Kosten in diesem Bereich in den kommenden Jahren weiter verringern. Vor diesem Hintergrund wird in der Wasserstoffstrategie das Potenzial von erneuerbarem Wasserstoff für eine kosteneffiziente Dekarbonisierung der EU-Wirtschaft untersucht. Dabei werden mehrere Maßnahmen beschrieben, mit denen Erzeugung, Transport und Nachfrage in Bezug auf diese Wasserstoffart vor dem Hintergrund des steigenden Anteils erneuerbarer Energien unterstützt werden könnten.

Erneuerbarer Wasserstoff hat nicht nur das Potenzial, unsere künftige, auf erneuerbaren Energien basierende Stromerzeugung zu unterstützen. Dank der Stärke der europäischen Industrie bei der Herstellung von Elektrolyseuren kann er auch zu Wachstum und Beschäftigung beitragen, was angesichts des erforderlichen Aufbaus nach der COVID-19-Krise besonders wichtig ist. In der Wasserstoffstrategie werden daher auch Möglichkeiten für die Installation von Elektrolyseuren für erneuerbaren Wasserstoff in der EU beschrieben, deren Leistung bis 2024 mindestens 6 GW und bis 2030 40 GW erreichen soll.

Sofortige und langfristige Investitionen sind ein unverzichtbarer erster Schritt für die umfassende Nutzung von erneuerbarem Wasserstoff. Zudem verschaffen sie der europäischen Industrie einen Startvorteil im zunehmenden weltweiten Wettbewerb. Im Plan für den künftigen EU-Haushalt hebt die Kommission die Notwendigkeit hervor, Investitionen in saubere Schlüsseltechnologien und -wertschöpfungsketten einschließlich sauberen Wasserstoffs zu mobilisieren. Dies wurde mit den zusätzlichen Maßnahmen, die den Aufbau in Europa nach der COVID-19-Pandemie fördern sollen, noch verstärkt – ein weiterer Beleg dafür, dass wirtschaftlicher Aufbau und unsere Dekarbonisierungsziele Hand in Hand gehen können. Im Hinblick darauf hat die Kommission die Initiative „Hochfahren“ („Power up“) ins Leben gerufen, um die EU-Länder dazu anzuregen, für den wirtschaftlichen Aufbau vorgesehene europäische Finanzmittel für Investitionen in erneuerbare Energien und die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff zu nutzen. Auch das Paket „Fit für 55“ der Kommission, in dem politische Strategien für eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % bis 2030 vorgeschlagen werden sollen, wird neben Maßnahmen zur Förderung von Investitionen Vorschläge für den Aufbau eines funktionierenden EU-Wasserstoffmarktes umfassen.

Wasserstoffprojekte, -forschung und -innovationen

Neben der Entwicklung politischer Maßnahmen und Strategien unterstützt die EU auch zahlreiche Projekte und Initiativen im Wasserstoffbereich. Im Mittelpunkt steht dabei die Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff, die im Rahmen der neuen Industriestrategie für Europa im März 2020 angekündigt und gleichzeitig mit der EU-Wasserstoffstrategie am 8. Juli 2020 ins Leben gerufen wurde.

Im Rahmen der Allianz werden Industrie, nationale und lokale Behörden, die Zivilgesellschaft und weitere Interessenträger zusammengeführt. Ihr Ziel ist es, die Nutzung von Wasserstofftechnologien bis 2030 auf ein ehrgeiziges Maß zu steigern. Dazu bringt sie verschiedene Bereiche zusammen, darunter erneuerbare und CO2-arme Wasserstofferzeugung, die Nachfrage aus Industrie, Mobilität und weiteren Sektoren sowie Wasserstofffernleitung und -verteilung. Die Allianz umfasst bereits mehr als 1000 Interessenträger, die nun ihre Projekte einreichen und zur Umsetzung zahlreicher investitionswürdiger Wasserstoffprojekte beitragen können.

Auch im Rahmen des Programms Horizont 2020 unterstützt die EU mehrere Forschungs- und Innovationsvorhaben im Wasserstoffbereich. Diese Projekte werden über das Gemeinsame Unternehmen „Brennstoffzellen und Wasserstoff“ (FCH JU) verwaltet, eine öffentlich-private Partnerschaft, die von der Europäischen Kommission unterstützt wird. Dazu zählen das von der EU finanzierte Projekt „Djewels“, in dessen Rahmen ein 20-MW-Elektrolyseur gebaut werden soll, um die Versorgung der Kunden mit kosteneffizientem grünem Wasserstoff sicherzustellen, sowie das Projekt STORE&GO, mit dem neue Technologien gefördert werden, um erneuerbares Methan in das Gasnetz einzuspeisen und so zur Sicherung einer nachhaltigen Energieversorgung in Europa beizutragen.

Auch das Projekt „Hybrit“ in Nordschweden ist ein Beispiel für den Beitrag von Wasserstoff zu einer umweltfreundlicheren Industrie: In seinem Rahmen wird mit erneuerbarem Strom hergestellter Wasserstoff – als Ersatz für Kohle – für eine CO2-freie Eisen- und Stahlherstellung genutzt. Ein im Rahmen eines ähnlichen EU-finanzierten Projekts („H2“) entwickelter Elektrolyseur versorgt eine Stahlanlage in Linz, Österreich, mit grünem Wasserstoff und erbringt dank seiner flexiblen Leistungsaufnahme zudem Netzdienste für das Stromnetz.

Einzelheiten

Datum der Veröffentlichung
14. April 2021
Autor
Generaldirektion Energie
Ort
Brüssel