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Document 32020H0648

Empfehlung (EU) 2020/648 der Kommission vom 13. Mai 2020 zu Gutscheinen für Passagiere und Reisende als Alternative zur Rückerstattung von Zahlungen für annullierte Pauschalreisen und Beförderungsdienstleistungen im Kontext der COVID-19-Pandemie

C/2020/3125

OJ L 151, 14.5.2020, p. 10–16 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2020/648/oj

14.5.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 151/10


EMPFEHLUNG (EU) 2020/648 DER KOMMISSION

vom 13. Mai 2020

zu Gutscheinen für Passagiere und Reisende als Alternative zur Rückerstattung von Zahlungen für annullierte Pauschalreisen und Beförderungsdienstleistungen im Kontext der COVID-19-Pandemie

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 292,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 30. Januar 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch von COVID-19 zu einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“ und stufte ihn am 11. März 2020 als Pandemie ein (1). Die daraus resultierenden schwerwiegenden Folgen für den internationalen und nationalen Geschäfts- und Freizeitreiseverkehr haben sich seit dem 1. März 2020 überall in Europa und der übrigen Welt ausgeweitet.

(2)

Die COVID-19-Pandemie hat zu nationalen Reiseverboten sowie Reisewarnungen und Beschränkungen an Grenzen geführt. Infolgedessen kam es zu zahlreichen Annullierungen, sodass viele Bürgerinnen und Bürger nicht reisen können. Die derzeitigen, noch nie da gewesenen weltweiten Reisebeschränkungen (2) haben den Reiseverkehr in Europa und vielen anderen Teilen der Welt fast vollständig zum Erliegen gebracht. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf Verkehrsunternehmen, Veranstalter von Pauschalreisen (im Folgenden „Veranstalter“) und Anbieter anderer Tourismusdienstleistungen, die Bestandteil von Pauschalreisen sind.

(3)

Gleichzeitig sind auch viele Passagiere und Reisende von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise betroffen und müssen infolge der eingeschränkten Wirtschaftstätigkeit, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer Folgen hat, Einkommenseinbußen hinnehmen (3).

(4)

Die Reise- und die Tourismusbranche in der EU melden einen Buchungsrückgang von 60 % bis 90 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Anträge von Reisenden auf Rückerstattung aufgrund von Annullierungen übersteigen die Zahl neuer Buchungen bei Weitem. Vorläufigen Schätzungen des Europäischen Reisebüro- und Reiseveranstalterverbands ECTAA zufolge könnte die COVID-19-Pandemie zu Einbußen von 30 Mrd. EUR im ersten Quartal 2020 (minus 60 %) und von 46 Mrd. EUR im zweiten Quartal (minus 90 %) im Vergleich zu dem ausgehend von früheren Jahren erwarteten Umsatz führen.

(5)

Unternehmen aller Verkehrsträger sind mit massiven Einbußen konfrontiert und müssen ein nahezu vollständiges Erliegen ihrer Geschäftstätigkeit hinnehmen. Darunter leidet — als Folge der COVID-19-Pandemie — auch ihre Liquidität (4).

(6)

Ob und nach welchen Kriterien Eindämmungsmaßnahmen wieder aufgehoben werden können, hängt weitgehend von Daten ab, die sich im zeitlichen Verlauf verändern, z. B. von epidemiologischen Daten. Folglich ist noch kein klarer Zeitplan für die Aufhebung der Beschränkungen abzusehen, nach der die Verkehrsdienste und der Tourismus ihren Betrieb wieder uneingeschränkt aufnehmen können (5).

(7)

In den Verordnungen (EG) Nr. 261/2004 (6), (EG) Nr. 1371/2007 (7), (EU) Nr. 1177/2010 (8) und (EU) Nr. 181/2011 (9) des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden „EU-Verordnungen über Passagierrechte“) sind die Rechte von Fahr- und Fluggästen im Falle von Annullierungen festgelegt. Im Falle einer Annullierung durch das Verkehrsunternehmen muss das Verkehrsunternehmen den Fahr- bzw. Fluggästen die Wahl zwischen einer Erstattung (Rückzahlung) oder einer anderweitigen Beförderung bieten (10). Unter den aktuellen Umständen ist eine anderweitige Beförderung kaum möglich, sodass es de facto hauptsächlich um die Wahl zwischen den verschiedenen Rückerstattungsmöglichkeiten geht.

(8)

Im Falle einer Beförderung auf dem Luftweg, dem Seeweg oder auf Binnenwasserstraßen muss der volle Preis innerhalb von 7 Tagen nach der Antragstellung durch den Passagier zurückerstattet werden; für den Kraftomnibusverkehr gilt eine Frist von 14 Tagen nach dem Rückerstattungsangebot bzw. dem Eingang des Rückerstattungsantrags und für den Schienenverkehr von 1 Monat nach der Antragstellung. Nach EU-Recht kann entweder die Zahlung zurückerstattet oder ein Gutschein ausgestellt werden. Die Rückerstattung in Form eines Gutscheins ist jedoch nur möglich, wenn der Passagier zustimmt (11).

(9)

Gemäß der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates (12) (im Folgenden „Pauschalreisenrichtlinie“) haben die Reisenden, wenn eine Pauschalreise wegen „unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände“ annulliert wird, Anspruch auf eine volle Rückerstattung aller geleisteten Zahlungen, die unverzüglich und in jedem Fall 14 Tage nach Beendigung des Vertrags erfolgen muss. In diesem Fall kann der Reiseveranstalter dem Reisenden die Erstattung in Form eines Gutscheins anbieten. Es steht dem Reisenden jedoch frei, stattdessen seinen Anspruch auf Rückerstattung geleisteter Zahlungen geltend zu machen.

(10)

Wenn Änderungen eines Pauschalreisevertrags (z. B. Verschiebung der Reise) oder eine andere Pauschalreise als Ersatz vorgeschlagen werden (13) und wenn der Reisende angesichts dieser Änderungen oder des Ersatzangebots eine Pauschalreise akzeptiert, die eine Minderung der Qualität oder Senkung der Kosten zur Folge hat, (14) oder wenn er vom Vertrag zurücktritt (15), kann der Reiseveranstalter auch einen Gutschein anbieten, sofern die Reisenden durch dieses Angebot nicht ihren Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlungen verlieren.

(11)

Am 18. März 2020 verabschiedete die Kommission Auslegungsleitlinien zu den EU-Verordnungen über Passagierrechte vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Situation im Zusammenhang mit Covid-19 (16). Die Kommission erinnerte daran, dass Flug- und Fahrgäste zwischen einer Rückerstattung der geleisteten Zahlungen und einer Rückerstattung in Form eines Gutscheins wählen können.

(12)

Am 19. März 2020 veröffentlichte die Kommission informelle Leitlinien zur Anwendung der Pauschalreisenrichtlinie im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie auf ihrer Website (17), in denen der Anspruch der Reisenden auf eine vollständige Erstattung bestätigt, gleichzeitig aber darauf hingewiesen wird, dass Reisende auch einen Gutschein akzeptieren können.

(13)

Die zahlreichen Annullierungen aufgrund der COVID-19-Pandemie haben für Verkehrsunternehmen und den Reisesektor zu einer unhaltbaren Cashflow- und Einnahmensituation geführt. Zu den Liquiditätsproblemen der Reiseveranstalter kommt erschwerend hinzu, dass sie Reisenden den vollen Preis der Pauschalreise erstatten müssen, obwohl sie selbst bereits geleistete Zahlungen für Dienstleistungen, die Teil der Pauschalreise sind, nicht immer rechtzeitig erstattet bekommen. Dies kann zu einer ungerechten Lastenverteilung zwischen den Unternehmen im Reise-Ökosystem führen.

(14)

Wenn Veranstalter oder Beförderer zahlungsunfähig werden, besteht die Gefahr, dass viele Reisende und Passagiere ganz leer ausgehen, da ihre Forderungen gegen Veranstalter und Beförderer nicht geschützt sind. Das gleiche Problem kann auch auf der B2B-Ebene auftreten, wenn Veranstalter für bereits geleistete Zahlungen einen Gutschein erhalten, die Beförderer aber später zahlungsunfähig werden.

(15)

Wenn Gutscheine als Alternative zur Kostenerstattung attraktiver gemacht würden, würde ihre Akzeptanz bei Passagieren und Reisenden steigen. Dies würde dazu beitragen, die Liquiditätsprobleme von Beförderern und Veranstaltern abzufedern, und könnte letztlich zu einem besseren Schutz der Interessen von Passagieren und Reisenden führen.

(16)

Aus diesem Grund sollten Gutscheine vor Zahlungsunfähigkeit des Beförderers oder des Veranstalters geschützt sein. Ein solcher Schutz könnte vom Privatsektor oder von der öffentlichen Hand vorgesehen werden und sollte hinreichend wirksam und robust sein. Er sollte sich zumindest auf die Gutscheine erstrecken, die die in dieser Empfehlung beschriebenen Merkmale aufweisen.

(17)

Diese Merkmale sollten sich insbesondere auf die Mindestgültigkeitsdauer beziehen sowie im Falle von Gutscheinen mit einer längeren als der Mindestgültigkeitsdauer auf den Zeitraum, nach dem Reisende oder Passagiere Anspruch auf Rückerstattung haben, wenn sie dies wünschen, und auf die Bedingungen für die Rückerstattung von Gutscheinen, die nicht eingelöst wurden. Ferner sollten sie sich auf die verschiedenen Dienste, für die der Gutschein genutzt werden kann, auf die Frist für die Nutzung des Gutscheins und auf seine Übertragbarkeit beziehen. Es können noch weitere Merkmale in Betracht gezogen werden, um Gutscheine noch attraktiver zu machen.

(18)

Wenn gleichzeitig ein Gutschein ausgestellt wird und eine Rückbuchung über die Kreditkarte erfolgt, könnte dies im Endeffekt zu einer doppelten Erstattung führen. Deshalb sollte der Beförderer in den Fällen, in denen sich der Reisende oder der Passagier für einen Gutschein entscheidet, dies dem Veranstalter, Reisebüro oder sonstigen Mittler mitteilen.

(19)

Um Gutscheine für Passagiere und Reisende attraktiv zu machen‚ könnten die Mitgliedstaaten die Einführung von Regelungen zur Unterstützung von Anbietern in der Reise- und der Verkehrsbranche in Erwägung ziehen, die mit den EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind. Sie könnten z. B. auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) spezielle Garantieregelungen für Gutscheine einführen. Außerdem könnten die Mitgliedstaaten Unternehmen der Reise- und der Verkehrsbranche auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission (18) De-minimis-Beihilfen gewähren.

(20)

Die Mitgliedstaaten, die Anbietern in der Reise- und der Verkehrsbranche Unterstützung zukommen lassen, damit Erstattungsforderungen im Kontext der COVID-19-Pandemie erfüllt werden, sollten sicherstellen, dass die entsprechenden Regelungen unabhängig vom Dienstleister für alle Passagiere und Reisenden gelten, die unter die Pauschalreisenrichtlinie oder die EU-Verordnungen über Passagierrechte fallen.

(21)

Im Hinblick auf einen etwaigen zusätzlichen Liquiditätsbedarf von Unternehmen in der Reise- und der Verkehrsbranche hat die Kommission am 19. März 2020 auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV einen Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (19) angenommen, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten zu beheben. Der Befristete Rahmen wurde am 3. April (20) und am 8. Mai 2020 (21) geändert, um weitere Beihilfemaßnahmen aufzunehmen.

(22)

Der Befristete Rahmen gilt grundsätzlich für alle Sektoren und Unternehmen, darunter auch jene des Verkehrssektors und der Reisebranche, und nennt die Beförderungs- und die Reisebranche ausdrücklich als am stärksten betroffene Sektoren. Ziel ist, Liquiditätsengpässen von Unternehmen abzuhelfen, indem z. B. direkte Zuschüsse, Steuervorteile, staatliche Garantien für Darlehen und öffentliche Darlehen mit vergünstigten Zinssätzen erlaubt werden. Um dringenden Liquiditätsbedarf insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen rasch zu decken, dürfen die Mitgliedstaaten bis zu einem Nennwert von 800 000 EUR pro Unternehmen zinslose Darlehen oder Garantien für Darlehen zur Deckung von 100 % des Risikos gewähren oder Eigenkapital bereitstellen. Der Befristete Rahmen sieht auch Möglichkeiten für Beihilfen zur Deckung des Liquiditätsbedarfs von mehr als 800 000 EUR pro Unternehmen in Form von Garantien und Zinszuschüssen vor, vorbehaltlich u. a. der Festsetzung von Mindestpreisen. In diesem Kontext können die Mitgliedstaaten beschließen, Unternehmen der Reise- und Beförderungsbranche zu unterstützen, damit durch den COVID-19-Ausbruch bedingte Erstattungsforderungen erfüllt werden, sodass der Schutz von Passagier- und Verbraucherrechten und die Gleichbehandlung von Passagieren und Reisenden gewährleistet sind.

(23)

In diesem Zusammenhang wird die Kommission bereits erlassenen Beihilfebeschlüssen der Mitgliedstaaten zugunsten von Luftverkehrsunternehmen Rechnung tragen, damit weitere Beihilfen für dieselben Begünstigten nicht zu einer Überkompensation führen und die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt nicht verzerrt werden.

(24)

Die Mitgliedstaaten können nach der Insolvenz eines Beförderers oder Veranstalters beschließen, die Erstattungsforderungen von Passagieren und Reisenden zu decken. Eine solche Deckung von Erstattungsforderungen würde aber nur Passagieren und Reisenden gewährt und nicht Unternehmen. Deshalb würde es sich nicht um eine staatliche Beihilfe handeln, sodass sie ohne vorherige Genehmigung der Kommission von den Mitgliedstaaten durchgeführt werden darf.

(25)

Die Kommission ist bereit, den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung solcher Maßnahmen zu helfen und sie in beihilferechtlichen Fragen zu beraten.

(26)

Die Mitgliedstaaten und die Anbieter sollten ermutigt werden, die Inanspruchnahme der bestehenden EU-Regelungen zur Unterstützung von Unternehmen und zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs in Erwägung zu ziehen.

(27)

Damit diese Empfehlung größtmögliche Wirkung entfaltet, sollten alle interessierten Kreise darüber informiert und zu ihrer Umsetzung ermutigt werden —

HAT FOLGENDE EMPFEHLUNG ABGEGEBEN:

GEGENSTAND

(1)

Diese Empfehlung betrifft Gutscheine, die Beförderer und Veranstalter Passagieren bzw. Reisenden als Alternative zur Erstattung geleisteter Zahlungen und vorbehaltlich der freiwilligen Annahme durch den Passagier bzw. Reisenden unter folgenden Umständen anbieten können:

a)

im Falle von Annullierungen durch den Beförderer oder Veranstalter, die ab dem 1. März 2020 aus durch die COVID-19-Pandemie bedingten Gründen vorgenommen wurden, im Zusammenhang mit den folgenden Bestimmungen:

(1)

Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004;

(2)

Artikel 16 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 17 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007;

(3)

Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010;

(4)

Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 181/2011;

(5)

Artikel 12 Absätze 3 und 4 der Richtlinie (EU) 2015/2302.

b)

im Falle von Vertragsänderungen oder Vertragsbeendigungen, die ab dem 1. März 2020 aus durch die COVID-19-Pandemie bedingten Gründen erfolgen, im Zusammenhang mit Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Richtlinie (EU) 2015/2302.

INSOLVENZSCHUTZ

(2)

Um dazu beizutragen, Gutscheine zu einer attraktiven und zuverlässigen Alternative zur Erstattung geleisteter Zahlungen zu machen, sollten mindestens die Gutscheine, die die unter den Nummern 3 bis 12 beschriebenen Merkmale aufweisen, durch einen hinreichend wirksamen und soliden Schutz vor Zahlungsunfähigkeit des Beförderers oder Veranstalters abgesichert werden.

EMPFOHLENE MERKMALE DER GUTSCHEINE

(3)

Die Gültigkeitsdauer der Gutscheine sollte mindestens 12 Monate betragen.

Vorbehaltlich der Bestimmungen von Nummer 5 sollten Beförderer und Veranstalter dem Passagier bzw. Reisenden den Gutscheinbetrag spätestens 14 Tage nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Gutscheins automatisch erstatten, wenn dieser nicht eingelöst wurde. Dies gilt auch für die Erstattung des Restbetrags von Gutscheinen im Falle einer vorherigen teilweisen Einlösung des Gutscheins.

(4)

Bei Gutscheinen mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als 12 Monaten sollten Passagiere und Reisende das Recht haben, spätestens 12 Monate nach Ausstellung des Gutscheins eine Erstattung der geleisteten Zahlungen zu verlangen. Sie sollten diesen Anspruch auch nach diesem Zeitpunkt jederzeit geltend machen können, vorbehaltlich der geltenden Rechtsvorschriften über zeitliche Begrenzungen.

Beförderer und Veranstalter könnten in Erwägung ziehen, Gutscheine auf Verlangen des Passagiers oder Reisenden zu einem früheren Zeitpunkt als 12 Monate nach ihrer Ausstellung zu erstatten.

(5)

Passagiere und Reisende sollten Gutscheine für Zahlungen für alle neuen Buchungen verwenden können, die vor dem Ablaufdatum des Gutscheins getätigt werden, auch wenn die Zahlung oder die Dienstleistung nach diesem Datum stattfindet.

(6)

Passagiere und Reisende sollten die Gutscheine für die Bezahlung aller vom Beförderer oder Veranstalter angebotenen Beförderungsleistungen bzw. Pauschalreisen verwenden können (22).

(7)

Vorbehaltlich der Verfügbarkeit und ungeachtet ggf. abweichender Tarife oder Preise

sollten die Beförderer sicherstellen, dass die Gutscheine es den Passagieren ermöglichen, auf derselben Strecke zu den in der ursprünglichen Buchung genannten Bedingungen zu reisen;

sollten die Veranstalter sicherstellen, dass die Gutscheine es den Reisenden ermöglichen, einen Pauschalreisevertrag abzuschließen, der die gleiche Art von Dienstleistungen bzw. Dienstleistungen gleichwertiger Qualität bietet, wie der annullierte Pauschalreisevertrag.

(8)

Beförderer und Veranstalter sollten eine Ausweitung der Möglichkeit in Erwägung ziehen, die Gutscheine für Buchungen bei anderen Unternehmen derselben Unternehmensgruppe einzulösen.

(9)

Wurde die annullierte Beförderungsleistung oder Pauschalreise über ein Reisebüro oder einen sonstigen Mittler gebucht, sollten Beförderer und Reiseveranstalter gestatten, dass die Gutscheine für neue Buchungen auch über dasselbe Reisebüro oder denselben sonstigen Mittler eingelöst werden.

(10)

Gutscheine für Beförderungsleistungen sollten ohne zusätzliche Kosten auf einen anderen Passagier übertragbar sein. Auch Gutscheine für Pauschalreisen sollten ohne zusätzliche Kosten auf einen anderen Reisenden übertragbar sein, sofern die Erbringer der in der Pauschalreise enthaltenen Dienstleistungen der Übertragung ohne zusätzliche Kosten zustimmen.

(11)

Um Gutscheine attraktiver zu machen, könnten Veranstalter und Beförderer erwägen, Gutscheine mit einem Guthabenwert auszustellen, der den Betrag der für die ursprünglich gebuchte Pauschalreise oder Beförderungsleistung geleisteten Zahlung übersteigt, beispielsweise indem ein zusätzlicher Pauschalbetrag oder zusätzliche Dienstleistungselemente hinzugefügt werden.

(12)

Auf den Gutscheinen sind die Gültigkeitsdauer und alle mit dem Gutschein verbundenen Ansprüche anzugeben. Sie sollten auf einem dauerhaften Datenträger (23) wie E-Mail oder Papier ausgestellt werden.

KOOPERATION ZWISCHEN AKTEUREN

(13)

Hat der Reisende die Beförderungsleistung über ein Reisebüro oder einen sonstigen Mittler gebucht oder war die Beförderungsleistung Teil einer Pauschalreise, so sollte der Beförderer das Reisebüro oder den Mittler bzw. den Veranstalter informieren, wenn sich der Passagier oder Reisende für einen Gutschein entscheidet.

(14)

Die verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer in der Wertschöpfungskette der Reise- und Verkehrsbranche sollten nach Treu und Glauben zusammenarbeiten und sich um eine gerechte Verteilung der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Lasten bemühen.

UNTERSTÜTZUNGSMAßNAHMEN

Staatliche Beihilfen

(15)

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob sie spezifische Regelungen zur Unterstützung von Anbietern in der Reise- und der Verkehrsbranche einführen, um sicherzustellen, dass infolge der COVID-19-Pandemie entstandene Erstattungsanforderungen erfüllt werden, und sie können über den Zeitpunkt und die Art der Maßnahmen entscheiden, die sie einführen wollen. Bei der Gestaltung solcher Regelungen sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sie allen Passagieren und Reisenden unabhängig von dem jeweiligen Dienstleister zugutekommen.

(16)

Um die negativen Auswirkungen auf Passagiere und Reisende während der COVID-19-Pandemie zu begrenzen, sollten die Mitgliedstaaten aktiv die Einrichtung von Garantieregelungen für Gutscheine in Erwägung ziehen, um zu gewährleisten, dass Passagiere und Reisende auch dann eine Erstattung erhalten, wenn der Aussteller des Gutscheins zahlungsunfähig wird.

Soweit solche Garantieregelungen das finanzielle Risiko für Passagiere und Reisende bei der Annahme von Gutscheinen verringern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass diese sich für Gutscheine statt für eine Erstattung entscheiden, und sie dadurch die Liquiditätslage der Unternehmen verbessern, verschaffen die Maßnahmen den betreffenden Unternehmen einen Vorteil in Form einer Liquiditätsverbesserung und stellen eine staatliche Beihilfe dar.

Solche Maßnahmen wären durch den Befristeten Rahmen nicht abgedeckt, können aber von den Mitgliedstaaten unmittelbar nach Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV notifiziert werden und einer Einzelprüfung unterzogen werden. Bei ihrer Prüfung würde die Kommission akzeptieren, dass die staatliche Garantie 100 % des Gutscheinwerts abdeckt, um einen umfassenden Schutz aller Passagiere und Reisenden zu gewährleisten, und gleichzeitig andere einschlägige Bestimmungen des Abschnitts 3.2 des Befristeten Rahmens (24) berücksichtigen, um die Verhältnismäßigkeit der Beihilfe zu gewährleisten.

(17)

Benötigen Unternehmen der Reise- und der Verkehrsbranche allgemeine Liquiditätshilfen, so können die Mitgliedstaaten auch beschließen, Regelungen einzuführen, um ihnen Liquiditätshilfen zu gewähren. Wird eine solche Unterstützung nicht zu Marktbedingungen gewährt, so kann es sich um eine staatliche Beihilfe handeln, die der Kommission zu notifizieren wäre.

Der Befristete Rahmen bildet die Grundlage für die Vereinbarkeit derartiger Liquiditätshilfen, die es Unternehmen in der Reise- und Verkehrsbranche unter anderem ermöglicht, eine Unterstützung in Form staatlicher Garantien oder zinsverbilligter Darlehen zu erhalten, um ihren tatsächlichen — gebührend zu belegenden — Liquiditätsbedarf für einen Zeitraum von 18 Monaten bei KMU und von 12 Monaten bei großen Unternehmen zu decken (25).

(18)

Die Mitgliedstaaten können auch beschließen, nach der Insolvenz eines Beförderers oder Veranstalters bestehende Erstattungsforderungen von Passagieren und Reisenden zu decken.

Soweit die Erstattung nach Abschluss des Liquidationsverfahrens erfolgt und dem Reise- oder Verkehrsunternehmen — das in diesem Fall keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt — dadurch also keine Liquiditätsverbesserung gewährt wird, sondern nur den Passagieren oder Reisenden ein Vorteil entsteht, stellt eine solche Erstattung keine staatliche Beihilfe dar. Derartige Maßnahmen können daher von den Mitgliedstaaten ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission durchgeführt werden.

Unterstützung von KMU im Rahmen des Europäischen Investitionsfonds

(19)

Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, Finanzintermediäre dazu ermutigen, die Inanspruchnahme der COVID-19-Unterstützung im Rahmen der COSME-Kreditbürgschaftsfazilität, die vom Europäischen Investitionsfonds und der Europäischen Kommission eingerichtet wurde, und anderer ähnlicher Regelungen, die von der Europäischen Investitionsbank-Gruppe aufgelegt wurden, in Erwägung zu ziehen. Im Rahmen dieser Regelungen können spezielle Liquiditäts- und Betriebskapitallinien für KMU/Midcap-Unternehmen in Anspruch genommen werden, um den Liquiditätsbedarf von Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie zu decken, einschließlich zwecks Erstattung annullierter Leistungen.

Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise

(20)

Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der zusätzlichen Flexibilität, die im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik durch die Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise gewährt wird, die Inanspruchnahme der für das Betriebskapital von KMU in der Reise- und der Verkehrsbranche bestimmten Hilfen in Erwägung zu ziehen. In diesem Zusammenhang kann Betriebskapital für KMU gewährt werden, um den Liquiditätsbedarf von Unternehmen infolge der COVID-19-Pandemie, einschließlich der Kosten im Zusammenhang mit Annullierungen, zu decken.

FÖRDERUNG DER UMSETZUNG DIESER EMPFEHLUNG

(21)

Verbraucher- und Passagierorganisationen auf Unionsebene und auf nationaler Ebene sollten Reisende und Passagiere ermutigen, anstelle von Erstattungen geleisteter Zahlungen Gutscheine zu akzeptieren, die die in dieser Empfehlung beschriebenen Merkmale aufweisen und durch die beschriebenen Insolvenzschutzmaßnahmen abgesichert sind.

(22)

Unternehmensverbände, Verbraucher- und Passagierorganisationen auf Unionsebene und auf nationaler Ebene sowie die Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich ihrer nationalen Durchsetzungsstellen, sollten dazu beitragen, alle betroffenen Parteien über diese Empfehlung zu informieren, und bei ihrer Umsetzung zusammenarbeiten.

Brüssel, den 13. Mai 2020

Für die Kommission

Adina VĂLEAN

Mitglied der Kommission


(1)  https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/events-as-they-happen

(2)  Laut UN-Welttourismusorganisation haben 96 % der Zielländer in der Welt Einreisebeschränkungen verhängt (Quelle: UNWTO, COVID-19 related travel restrictions — a global review for tourism, Stand 16. April 2020).

(3)  Der Indikator der wirtschaftlichen Einschätzung verzeichnete im April 2020 den stärksten monatlichen Rückgang seit Beginn der Messungen (im Jahr 1985) auf 67,0 für das Euro-Währungsgebiet und 65,8 für die Union. Der Beschäftigungserwartungsindikator fiel im April 2020 auf den niedrigsten je verzeichneten Stand (63,7 im Euro-Währungsgebiet und 63,3 in der Union). Siehe https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/indicators-statistics/economic-databases/business-and-consumer-surveys/latest-business-and-consumer-surveys_en

(4)  Im Vergleich zum Vorjahr sind z. B. der Luftverkehr um 90 % (Quelle: Eurocontrol), der Schienenpersonenfernverkehr um 85 % und der Schienenpersonenregionalverkehr (einschließlich Vororte) um 80 % zurückgegangen, der internationale Schienenpersonenverkehr ist fast zum Erliegen gekommen (Quelle: CER), und die Kreuzschiff- und Fahrgastschifffahrt hatte Mitte April im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 90 % zu verzeichnen (Quelle: EMSA).

(5)  Siehe Gemeinsamer europäischer Fahrplan für die Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 vom 15. April 2020, https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/european-roadmap-lifting-coronavirus-containment-measures_de

(6)  Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1).

(7)  Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 14).

(8)  Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 1).

(9)  Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 1).

(10)  Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004; Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007; Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010; Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 181/2011.

(11)  Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004; Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007; Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010; Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 181/2011.

(12)  Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. L 326 vom 11.12.2015, S. 1).

(13)  Siehe Artikel 11 der Pauschalreisenrichtlinie.

(14)  Siehe Artikel 11 Absatz 4 der Pauschalreisenrichtlinie.

(15)  Siehe Artikel 11 Absatz 5 der Pauschalreisenrichtlinie.

(16)  ABl. C 89I vom 18.3.2020, S. 1.

(17)  https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/coronavirus_info_ptd_19.3.2020.pdf, veröffentlicht in englischer Sprache auf der COVID-19-Website der Kommission https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/travel-and-transportation_de

(18)  Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (ABl. L 352 vom 24.12.2013, S. 1).

(19)  Mitteilung der Kommission — Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (ABl. C 91I vom 20.3.2020, S. 1).

(20)  Mitteilung der Kommission — Änderung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (ABl. C 112I vom 4.4.2020, S. 1).

(21)  Mitteilung der Kommission — Änderung des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (ABl. C 164 vom 13.5.2020, S. 3).

(22)  Es sei daran erinnert, dass die Ansprüche, die mit Artikel 16 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 und Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 verbindlich vorgeschrieben sind, in jedem Fall gelten.

(23)  „Dauerhafter Datenträger“ ist in Artikel 3 Absatz 11 der Pauschalreisenrichtlinie definiert als „jedes Medium, das es dem Reisenden oder dem Unternehmer gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht“.

(24)  Nach Abschnitt 3.2 des Befristeten Rahmens können staatliche Darlehensgarantien für einen begrenzten Zeitraum gewährt werden.

(25)  Nummern 25.d und 27.d des Befristeten Rahmens.


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